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Es geht auch anders: Lebenshof statt Schlachtung

    Lebenshof KuhErde: Wir müssen machen, was für uns stimmt und nicht für die anderen!

    Selina und Adrian Blaser haben ihren Hof in Bowil (bei Bern) im September 2021 umgestellt: von Mutterkuhhaltung auf einen Lebenshof. Die Kosten für den laufenden Unterhalt übernehmen Tierpaten. Die Umstellung war einerseits einfach, da an der Infrastruktur nichts geändert werden musste. Andererseits prophezeiten die Nachbarn Adrian den sicheren Konkurs. Dass es ganz anders kam, und wie es Mensch und Tier heute ergeht, erzählt uns Selina Blaser im Interview.

    Gab es einen Schlüsselmoment, an dem Ihr gemerkt habt, so können wir nicht weitermachen? Für mich ist der Schlüsselmoment, dass die älteste Kuh (die mittlerweile – Stand 2022 -16 ist) Totgeburten gehabt hatte und eigentlich zum Metzger gesollt hätte. Ich habe meinem Mann gesagt, dass er doch bitte die Kuh leben lassen soll… es war dann so, dass die Kuh ein Kälbchen von einer anderen Kuh angenommen hat, das dann an ihrem Euter trinken durfte. Und das hat ihr nochmals Zeit gegeben, aber sie hätte ja doch irgendwann zum Metzger gemusst; und das gab für mich den Anlass nach einer Alternative zu suchen, um die Kuh leben zu lassen. Das war wirklich der Schlüsselmoment, um etwas auf unserem Hof zu ändern.

    Wie lief der Entscheidungsprozess ab?
    Es hat eigentlich nicht wirklich Entscheidungen gegeben. Als der „Hof Narr“ zu uns auf den Hof gekommen ist und gesagt hat, dass sich auf dem Hof eigentlich nichts ändern muss – wir müssen nichts umbauen oder so – da ist es klar gewesen, dass wir das direkt umsetzen.

    Welche Optionen standen zur Verfügung, und wie lief die Abwägung ab?
    Es hat nicht unbedingt Optionen gebraucht, weil uns schon klar gewesen ist, dass wir ein Lebenshof werden. Da war aber noch die Frage, wie man das Geld jetzt auf andere Weise hereinholt. Abgesehen von den Tierpatenschaften – zum Beispiel mit Kichererbsenanbau oder mit anderen Sachen, die man neu ausprobieren könnte. Es war sehr hilfreich dass der Hof Narr uns bei der Umstellung immer zur Seite gestanden ist; sie haben für uns wirklich ganz, ganz viel gemacht. Diese Unterstützung und die Erfahrungen, die sie bereits hatten, waren sehr hilfreich.

    Wie seid Ihr auf Hof Narr gekommen?
    Wir haben einfach im Internet recherchiert, was es für Möglichkeiten gibt beim Umstieg von der konventionellen Landwirtschaft und da bin ich eben auf Hof Narr gestoßen.

    Wie war der Ausstieg für Euch persönlich, welche Ängste/Hoffnungen hattet Ihr?
    Ängste hatten wir vor allem wegen der finanziellen Seite, dass es dann nicht reicht mit dem Geld. Die Hoffnungen waren dass es eben funktioniert mit den Patenschaften. Wie es angenommen wird von den Schwiegereltern, das war natürlich auch noch eine Sorge. Wir hatten diverse Gespräche und es hat lange gebraucht bis alle verstanden haben, was wir hier machen. Es ist aber einfach so, dass wir das machen müssen, was für uns stimmt – und nicht für die anderen. Das ist es, was ich den anderen wirklich mitgeben möchte: dass man wirklich auf sein Herz hört und das macht, was man verändern möchte: für die Tiere und für einen persönlich. Nicht für die Nachbarn, nicht für das Dorf.

    Was waren die entscheidenden Eckpunkte, wo Ihr realisiert habt, das klappt mit der Umstellung? Die ersten 1 – 2 Monate waren diejenigen die entscheidend waren – als wir merkten, es funktioniert wirklich! Es gab so viele Leute, die Tierpatenschaften abgeschlossen haben, und die Rückmeldungen gingen in die Richtung: Das ist es, was es braucht. Dass auch andere Leute zur Umstellung stehen, und der Meinung sind, es muss sich etwas ändern in der Landwirtschaft, tat einfach wahnsinnig gut. Die Leute die gleich denken, stehen und halten wirklich zusammen.


    Wie steht es um Euren Kichererbsen-Anbau? Wir haben unsere Kichererbsen (Stand 2022, Anm. der Red.) noch nicht gesät, das wird dieses Jahr noch stattfinden. Letztes Jahr war es zu feucht. Wir würden uns sehr freuen, wenn es dieses Jahr klappt.

    Würdet Ihr anderen zum Ausstieg raten?
    Das würden wir anderen raten. Wie gesagt, man muss auf sein Herz hören, wenn man merkt, dass man hinter dem was man macht nicht mehr stehen kann. Bevor man eine Mauer um sein Herz baut – um das zu rechtfertigen, was man da macht – ist es unbedingt nötig, etwas zu ändern. Dann ist einfach die Zeit reif dafür, dass etwas passieren muss. Es ergibt keinen Sinn, mit etwas Geld zu verdienen, hinter dem man nicht steht: Es macht einen selber krank, es macht das Umfeld krank. Ich bin aber sicher nicht die optimale Ansprechpartnerin für eine Komplettumstellung, da dies bei uns nicht nötig war. Der Hof Narr leistet da wahnsinnig viel Arbeit, die sind schon länger in dem ganzen Thema drin und wissen was es alles braucht. Sie haben die Erfahrungen auf anderen Höfen, sie haben Kontakte, kennen also jegliche Grundvoraussetzung, wie eine Umstellung funktionieren kann. Insofern will ich mich da jetzt nicht so genau äußern. Hof Narr ist auf jeden Fall die beste Anlaufstelle!

    Webseite des Lebenshof KuhErde

    Seit August gibt es eine Anlaufstelle auch für deutsche Landwirt:innen: TransFARMation Deutschland

    Unser Interview mit Matthias Welzel von TransFARMation Deutschland

    Unser Interview mit Sarah Heiligtag von Hof Narr