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Boden, Klima, und Biodiversität

    Die Folgen der intensiven Landwirtschaft und „Nutztier“-Industrie sind verheerend für das Klima, die Umwelt und Natur. Ackerböden, Grünland und Tiere werden ausgebeutet. Studien zu den schädlichen Auswirkungen häufen sich und drängen auf eine Abkehr von tierischen Produkten in den Industrieländern, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern.

    Unsere Böden – keine gute Grundlage mehr

    Aktuell werden 51 Prozent der Fläche Deutschlands landwirtschaftlich genutzt. Davon sind 72 Prozent Ackerflächen und 28 Prozent Dauergrünland (Wiesen und Weiden) [1]. Die erste Bodenzustandserhebung [2] zeigt: Landwirtschaftliche Böden sind sehr wichtig für den Klimaschutz. Sie speichern insgesamt 2,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff im obersten Meter. Das ist mehr als doppelt so viel wie unter den Wäldern Deutschlands, was in erster Linie am größeren Anteil von Agrarflächen liegt. Global speichern Böden rund viermal so viel Kohlenstoff wie die oberirdische Vegetation 2. Wieviel Kohlenstoff der Boden enthält und wie fruchtbar er somit ist, hängt vom Humusgehalt ab. Dieser besteht zu fast 60 % aus Kohlenstoff. Alle abgestorbenen pflanzlichen und tierischen Stoffe sowie deren Umwandlungsprodukte durch Bodenorganismen zählen zum Humus. Er liefert Nährstoffe für Pflanzen, speichert Wasser und hält das Erdreich zusammen. Seit mehr als 100 Jahren sinkt durch die Bodenbearbeitung der Humusgehalt der Ackerböden. Sie leiden unter Erosion, Wassermangel und Versalzung. Teilweise ist die Fruchtbarkeit um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Dies lässt sich kaum noch mit Dünger ausgleichen. Humus wieder aufzubauen, dauert mitunter Jahre.

    Düngung – viel hilft nicht viel

    Die enormen Stickstoffverschmutzungen der Umwelt werden durch Überdüngung verursacht. Pro Hektar werden in Deutschland jährlich 93 Kilogramm Stickstoff als Kunstdünger und 96 Kilogramm Stickstoff aus Gülle und Mist ausgebracht [3]. Überschüssiger Dünger gelangt in Grund- und Oberflächenwasser, führt zu Algenwachstum, Sauerstoff-Armut und Todeszonen. Der biologisch tote Boden in der Ostsee verdoppelt sich alle zehn Jahre [4]. Die zunehmende Stickstoffbelastung verursacht auch enorme Biodiversitätsverluste. Zudem setzt Dünger klimaschädliches Lachgas und Stickoxide frei und übersäuert den Boden. Auch Antibiotika werden mit der Gülle ausgeschieden, zerstören Mikroflora und gelangen wie andere Wirkstoffe in die Nahrungskette. Am jährlichen Stickstoffeintrag hat sich wenig bis nichts geändert [5] trotz des Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland. Durch Präzisionstechnologie könnten global rund 35 Prozent Stickstoffdünger eingespart werden [6]. Weiterhin sind Zwischenfrüchte wie Leguminosen hilfreich, schonende Bodenbearbeitung, Humusaufbau und weniger „Nutztiere“. Denn Mastbetriebe bringen Gülle und Mist meist weniger zur Ertragssteigerung aus, sondern um diese zu entsorgen.

    Leguminosen werden unternutzt

    Leguminosen oder Hülsenfrüchte wie Sojabohnen, Ackerbohnen und Erbsen binden Stickstoff aus der Luft, machen ihn für die Folgefrucht verfügbar und steigern somit die Bodenfruchtbarkeit. Sie haben positive Effekte auf Insekten, die Wasserspeicherung, die Pflanzengesundheit und tragen durch Dünger- und CO2-Einsparung zum Klimaschutz bei [7]. Ein Großteil der Eiweißpflanzen wird jedoch importiert, vor allem für Viehfutter. Aufgrund von Fördermaßnahmen werden Leguminosen zunehmend in Deutschland angebaut, dennoch nehmen sie nur 1,9 Prozent der Ackerfläche ein. Soja könnte auf einer 23-fachen Fläche angebaut werden7. Nicht nur für die Umwelt, auch für die Humanernährung sind Leguminosen vorteilhaft. Ernährungswissenschaftler empfehlen, tierische Lebensmittel zugunsten pflanzlicher Proteinträger zu reduzieren [8]. Mittlerweile spielen Leguminosen in mehreren Zukunftsstrategien, wie in der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU eine wesentliche Rolle. Die Zielgröße in der deutschen Ackerbaustrategie sind zehn Prozent der Ackerfläche.

    Landwirtschaft verschuldet Großteil des Artensterbens

    Wir befinden uns im größten Artensterben seit 66 Millionen Jahren. Der Großteil ist auf die Landwirtschaft zurückzuführen. Die Ursachen liegen im Zusammenspiel von größeren Anbauflächen, verringerter Strukturvielfalt (siehe Abb. 1), höherer Nutzungsintensität, weniger Anbauvielfalt, reinerem Saatgut, mehr Stallhaltung, weniger Grünland, häufiger Mahd, Düngung und Pestiziden. Nur zirka 2,3 Prozent der Agrarflächen dienen der Biodiversität. Wissenschaftler fordern mindestens zehn Prozent [9]. Systemisch wirkende Pflanzenschutzmittel werden oft vorbeugend flächendeckend angewendet. Dabei werden sie auch in angrenzende Flächen und Gewässer eingetragen. Seit 1995 ist die Menge und Anzahl an Pflanzenschutzmitteln recht stabil, jedoch ist die Wirksamkeit angestiegen.

    Mit der „Krefelder Studie“ 2017 zeigte sich erstmals ein markanter Verlust der Insektenmasse von 76% zwischen 1989 und 2016. Später fanden Londoner Wissenschaftler:innen heraus, dass die Kombination aus Klimawandel und intensiver Landwirtschaft zu einem besonders starken Rückgang führt. Anbausysteme mit weniger Pestiziden und mineralischem Dünger, wie der ökologische Landbau, extensive Nutzungssysteme oder Flächen im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen weisen eine höhere biologische Vielfalt auf. Der Öko-Landbau erzielt im Durchschnitt eine um 30% höhere Artenvielfalt, jedoch schätzungsweise 20-25 % geringere Erträge.1

    Gravierende Auswirkungen der Tierhaltung

    Die Vernichtung von Wäldern für die Viehhaltung verursacht zusammen mit Rindern und Düngemitteln so viele Treibhausgasemissionen wie alle Autos, Lastwagen und Flugzeuge der Welt [10]. Die Fleischproduktion bewirkt ein Massensterben von Wildtieren, Wasserknappheit, Bodendegradation, Eutrophierung und Verschmutzungen von Gewässern sowie ein höheres Zoonose-Risiko. Mastbetriebe verschlechtern auch die Luftqualität mit negativen Folgen für die Gesundheit in den lokalen Gemeinden. Ein „Weiter-wie-bisher“ ist keine Option. Das hatte der Weltagrarbericht schon 2009 postuliert. 2018 warnten Wissenschaftler:innen, dass der Fleischkonsum massiv reduziert werden muss, wenn die Welt einen gefährlichen Klimawandel abwenden will. Der Rindfleischkonsum in den westlichen Ländern müsse um 90 % sinken und durch fünfmal mehr Hülsenfrüchte ersetzt werden. Der Verbrauch von Schweinefleisch, Milch und Eiern wird ebenfalls stark zurückgehen müssen10, [11].

    Die bisher umfangreichste Analyse belegt den riesigen Fußabdruck der Viehzucht: Fleisch und Milchprodukte liefern zwar nur 18 Prozent der Kalorien, aber beanspruchen 83 Prozent der Agrarfläche und verursachen 60 Prozent der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft [12]. Insgesamt verursachen Lebensmittelsysteme über ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen. Ohne den Konsum von Fleisch- und Milchprodukten könnte die weltweite landwirtschaftliche Nutzfläche um mehr als 75 Prozent reduziert werden und dennoch die Welt ernähren. Überraschend sind die großen klimaschädlichen Auswirkungen der Süßwasserfischzucht.11

    Eine neue Studie aus Bonn [13] kommt zu dem Ergebnis, dass der Fleischkonsum in den Industrienationen um mindestens 75 Prozent sinken muss, um die globale Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten. Derzeit wandert rund die Hälfte der globalen Getreideproduktion in den Futtertrog, was seit dem Krieg gegen die Ukraine besonders fatal ist. Forscher:innen empfehlen eine Fleischsteuer, weil der Preis die Umweltbelastungen nicht abbildet, Rindfleisch sollte zwischen 35 und 56 Prozent teurer werden, Lamm- und Schweinefleisch um 19 Prozent und Geflügel um 25 Prozent [14].

    Strengere politische Reglementierung nötig

    Auch der neuste Weltklimarat-Bericht empfiehlt einen höheren Anteil pflanzlicher Nahrungsmittel. Die deutsche Zukunftskommission Landwirtschaft empfiehlt, die staatliche Förderung der Landwirtschaft an gesamtgesellschaftlichen Zielen, wie dem Schutz der Biodiversität, des Klimas und vielfältiger Landschaftsstrukturen, auszurichten. Mittel seien Agrarumweltmaßnahmen, eine Stickstoffüberschussabgabe, eine schrittweise Umwandlung der europäischen Agrarbeihilfen sowie Steueranpassungen. Es sollen auch weniger tierische Produkte verzehrt werden, wodurch der Tierbestand reduziert wird. Rechtsverbindlich ist der Bericht nicht.

    Für einen wirksamen Wandel sind die Maßnahmen zu kurz gegriffen. Die Systeme Landwirtschaft und Ernährung müssen von der intensiven, exportorientierten „Nutztier“-Industrie zur pflanzenbasierten Industrie umgestellt werden, fordert Claudia Gerlach, Referentin bei Menschen für Tierrechte. Der Öko-Landbau muss ausgeweitet und die Tierbestände reduziert werden. Mehr als 70 Prozent der EU-Direktzahlungen subventionieren tierische Produkte. Die großen Summen müssen in die Abwendung der Klimakatastrophe fließen. Einzelne Maßnahmen wie Umstellungen in der Gemeinschaftsverpflegung oder der freiwillige Verzicht tierischer Produkte schaffen nicht den nötigen Wandel. Der Fleischkonsum hat sich laut dem Fleischatlas weltweit in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Ohne politische Regulierungen ist eine zukunftsfähige Landwirtschaft, die die wachsende Erdbevölkerung ernährt, nicht möglich.

    Abb. 1: Die Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft ist immer weiter verloren gegangen. Je weniger Strukturen die Landschaft aufweist, desto weniger Tier- und Pflanzenarten finden in dieser Landschaft Lebensraum. Quelle: Biodiversität und Management von Agrarlandschaften, 2020. [1]

    Abb. 2: Durchschnittliche Treibhausgasemissionen (kg CO2-Äquivalente), die mit verschiedenen Lebensmitteln verbunden sind. Quelle: Parlasca, M. C., & Qaim, M. (2022). Meat Consumption and Sustainability. Annual Review of Resource Economics, 14.12


    [1] Biodiversität und Management von Agrarlandschaften, Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, 2020

    [2] Landwirtschaftlich genutzte Böden in Deutschland, Thünen-Institut für Agrarklimaschutz, 2018.

    [3] Das Düngerdilemma, das keins sein muss, Andreas Frey, Spektrum.de, 23.02.2022

    [4] Todeszonen in der Ostsee nehmen zu, Anna Lederle, European Scientist, 29.09.2018 

    [5] Informationen des Umweltbundesamtes vom 30.09.2020

    [6] Wuepper, D., Le Clech, S., Zilberman, D. et al. (2020) Countries influence the trade-off between crop yields  and nitrogen pollution. Nature Food 1, 713–719

    [7] Marktrecherche Sojabohnen, Bundesinformationszentrum Landwirtschaft, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, 08.12.2021

    [8] Erbersdobler, Helmut F., Barth, Christian A.; Jahreis Gerhard. Körnerleguminosen in der Humanernährung Nährstoffgehalt und Proteinqualität von Hülsenfrüchten. Ernährungs-Umschau international, 9/2017.

    [9] Ringen um neue Ackerbaustrategie. Anja Schrum, Ernst-Ludwig von Aster, Deutschlandfunk Kultur, 08.10.2019

    [10] Springmann, M., Clark, M., Mason-D’Croz, D. et al. (2018) Options for keeping the food system within environmental limits. Nature 562, 519–525

    [11] Willett, W., Rockström, J., Loken, B. et al. (2019) Food in the Anthropocene: the EAT-Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. The Lancet 393, 447-491

    [12] Poore J, Nemecek T. (2018) Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Science. 360(6392):987-992

    [13] Parlasca, M. C., & Qaim, M. (2022) Meat Consumption and Sustainability. Annual Review of Resource Economics, 14.

    [14] Funke, F., Mattauch, L., van den Bijgaart, I., Godfray, C., Hepburn, C., Klenert, D., Springmann, M. & Treich, N. (2022) ‚Is Meat Too Cheap? Towards Optimal Meat Taxation‘. INET Oxford Working Paper No. 2022-01.